Erstmaliger Nachweis von Weyl-Fermionen mittels kernmagnetischer Resonanz

Forschungsbericht (importiert) 2018 - Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe

Autoren
Baenitz, Michael
Abteilungen
Physik der Quantenmaterie
DOI
Zusammenfassung
Aufgrund des großen Kernquadrupolmoments von Tantal gelang erstmals der Nachweis von Weyl-Fermionen im Übergangsmetall-Monopniktid TaP mit Hilfe von kernmagnetischer Resonanz. Es wurden drei Tantal-Resonanzlinien experimentell nachgewiesen. Die Linien konnten theoretisch unter Einbeziehung der Spin-Bahn-Wechselwirkung berechnet werden. Es gelang es uns ferner, die theoretische Vorhersage für die Temperaturabhängigkeit der Spin-Gitter-Relaxation erstmals im Experiment zu bestätigen. Die lokale Resonanztechnik eröffnet somit neue Einblicke in die exotische Materialklasse der Weyl-Halbmetalle.

Kernmagnetische Resonanzexperimente (NMR) sind in der Festkörperphysik weit verbreitet. Im Alltag finden diese jedoch die häufigste Anwendung bei der Bildgebung in der Medizin (magnetic resonance imaging, MRI). Während die medizinische Anwendung sich auf den Wasserstoff (genauer gesagt, den Kernspin von 1H) im menschlichen Körper beschränkt, werden in der Festkörperphysik unterschiedliche Kernspins der jeweils vorkommenden Elemente genutzt.

Aufgrund des Kernmoments kommt es im starken Magnetfeld zu einer Ausrichtung der Momente ähnlich wie die bei einem Kompass. Im einfachen Bild gibt es zwei Zustände: antiparallel und parallel zum Magnetfeld. Energetisch spricht man von einer Aufspaltung (Zeeman-Effekt) in zwei Zustände mit unterschiedlichen Energien. Nun ist es möglich, kurzfristig dem Material Energie zuzuführen, indem man durch einen Magnetfeldpuls mit bestimmter Frequenz (der Resonanzfrequenz) genau die Energiedifferenz einstrahlt. Die Resonanzfrequenz ist somit charakteristisch für einen bestimmten NMR-Kern und ein bestimmtes Material. Im Festkörper kann sich die Frequenz durch die Umgebung um den NMR-Kern ändern.  Dies lässt Rückschlüsse auf den mikroskopischen Aufbau des Festkörpers zu, was die NMR zu einer mikroskopischen Sonde macht.

In der Metall- und Halbmetallphysik kommt die NMR zum Beispiel als lokale Sonde für die Zustandsdichte der Leitungselektronen zum Einsatz. Aufgrund des Elektronenspins der Ladungsträger kommt es zu einer Frequenzverschiebung  und einem Beitrag in der Spin-Gitter-Relaxation, welche die Dynamik des Kernspins beschreibt.  Deren Messung ermöglicht somit einen direkten Zugang zur Zustandsdichte der Elektronen an der Fermienergie EF.

Neue exotische Halbmetalle wie die Übergangsmetall-Pniktide TaAs und TaP weisen unter anderem eine starke Spin-Bahn-Wechselwirkung der beteiligten Ladungsträger auf, also eine Wechselwirkung des Spins eines Elektrons mit seinem Bahndrehimpuls. Bei den beteiligten Ladungsträgern handelt es sich jedoch nicht um einfache Elektronen oder Löcher, sondern um sogenannte Weyl-Fermionen [1]. Der deutsche Physiker Herman Weyl sagte ihre Existenz bereits 1929 vorher, doch erst 2015 ließen sie sich erstmals nachweisen. Sie sind masselos, sehr beweglich und  können nur innerhalb eines geeigneten Materials existieren. In Weyl-Halbmetallen wird Ladungstransport dominant von Ladungsträgern in sogenannten Weyl-Knoten nahe der Fermienergie EF bestimmt. 2015 wurde die Klasse der Übergangsmetall-Pniktide von Theoretikern als sogenannte Weyl-Halbmetalle  vorgeschlagen [2] und wenig später mit Experimenten bestätigt [3, 4].  

Wie bereits erwähnt, spielt bei den Weyl-Fermionen die Spin-Bahn-Wechselwirkung eine wichtige Rolle. In einigen Halbmetallen kreuzen sich die Bänder von Valenz- und Leitungselektronen. Infolge der Spin-Bahn-Wechselwirkung und der Symmetrie bilden sich dann Paare von Knoten, die bereits erwähnten Weyl-Knoten. An diesen Knoten haben die Ladungsträger ungewöhnliche Eigenschaften. Zum Beispiel findet man (ähnlich wie bei Graphen oder an Oberflächen von topologischen Isolatoren) eine reduzierte Streuung der Elektronen, was die Leitfähigkeit der Ladungsträger drastisch erhöht. Die hohe Ladungsträgergeschwindigkeit macht diese Substanzklasse interessant für technische Anwendungen (insbesondere neuartige Mikroelektronik) und hat zu einem regelrechten Goldrausch auf dem Gebiet der topologischen Weyl-Halbmetalle geführt.

Kernphysikalische Eigenschaften des Übergangsmetall-Pniktids TaP legten es nahe, die neuartigen Weyl-Fermionen mit Hilfe von NMR zu untersuchen.  Tantal ist jedoch aufgrund seines hohen Kernspins  und der recht kleinen Aufspaltung im Magnetfeld ein Exot unter den NMR-Kernen und demzufolge recht schwer zu messen. Hier kam uns zugute, dass Tantal eines der größten Kernquadrupolmomente aller Elemente hat. 

Das Quadrupolmoment eines Kerns resultiert aus der Abweichung von einer kugelförmigen Verteilung der Ladung im Atomkern. Hierdurch kommt es auch ohne Magnetfeld zu einer Aufspaltung der Energieniveaus im Kern. Man spricht in diesem Fall von Nuclear Quadrupole Resonance (NQR). Dies entspricht vereinfacht der unterschiedlichen räumlichen Anordnung der Ladungswolke im elektrischen Feld der umgebenden Ionen. Für Tantal  erwartet man drei NQR-Resonanzlinien bei verschiedenen Frequenzen (Abbildung 1). Im Rahmen unserer Studie [5] haben wir nun die drei NQR-Linien des Tantals erstmals nachgewiesen und deren Frequenz theoretisch (mithilfe der Dichtefunktionaltheorie unter Einbeziehung der Spin-Bahn-Wechselwirkung) berechnet.

Ferner gelang es uns, die theoretische Vorhersage eines  Gesetzes für die Spin-Gitter-Relaxation  erstmals experimentell nachzuweisen [5] (Abbildung 2). Es ist somit zum ersten Mal gelungen, Weyl-Fermionen mittels Resonanzspektroskopie nachzuweisen. Dieser Nachweis gelang, weil Tantal hierfür eine Reihe günstiger Eigenschaften aufweist, wie ein sehr großes Quadrupolmoment und eine starke und temperaturabhängige Kopplung zwischen Kernmoment und Weyl-Fermionen.

Es bleibt abzuwarten, ob auch in anderen Tantal-basierten Weyl-Halbmetallen solche Untersuchungen möglich sind. Sicher ist jedoch, dass topologische Effekte infolge starker Spin Bahn Wechselwirkung neue Impulse in die Welt der chemischen Physik gebracht haben und wir sicher noch mit vielen interessanten Entdeckungen rechnen können.

Literaturhinweise

1.
Armitage, N. P., Me le, E. J., Vishwanath, A.,
Weyl and Dirac semimetals in three-dimensional solids
Rev. Mod. Phys. 90, 015001 (2018)
2.
Weng, H., Fang, C., Fang, Z., Bernevig, B. A., Dai, X.,
Weyl semimetal phase in non-centrosymmetric transition metal monophosphides
Physical Review X 5, 011029 (2015)
3.
Shekhar, C., Nayak, A. K., Sun, Y., Schmidt, M., Nicklas, M., Leermakers, I., Zeitler, U., Skourski, Y., Wosnitza, J., Liu, Z., Chen, Y., Schnelle, W., Borrmann, H., Grin, Y., Felser, C., Yan, B.
Extremely large magnetoresistance and ultrahigh mobility in the topological Weyl semimetal candidate NbP
Nature Physics 11, 645 (2015)
4.

Arnold, F., Shekhar, C., Wu, S.-C., Sun, Y., dos Reis, R. D., Kumar, N., Naumann, M., Ajeesh, M. O., Schmidt, M., Grushin, A. G., Bardarson, J. H., Baenitz, M., Sokolov, D., Borrmann, H., Nicklas, M., Felser, C., Hassinger, E., Yan, B.

Negative magnetoresistance without well-defined chirality in the Weyl semimetal TaP
Nature Communications 7, 11615 (2016)
5.
Yasuoka, H., Kubo, T., Kasinathan, D., Schmidt, M., Yan, B., Zhang, Y., Tou, H., Felser, C., Mackenzie, A.P, Baenitz, M.
Emergent Weyl Fermion Excitations in TaP explored by 181Ta Quadrupole Resonance
Phys. Rev. Lett. 118, 236403 (2017)
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