Magnete neu denken - in 3D!
Forschungsbericht (importiert) 2022 - Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe
Von ihrer Fernwirkung bis hin zu ihren Quanteneigenschaften haben Magnete die Menschen seit Jahrhunderten fasziniert. Mit dem Beginn des Informationszeitalters haben magnetische Materialien unser Leben verändert, die Computertechnik revolutioniert und eine effizientere Energiegewinnung ermöglicht.
Magnetische Geräte wirken sich auf viele verschiedene Bereiche unserer Gesellschaft aus: Magnete werden für die Energieerzeugung, die Datenspeicherung und die Datenverarbeitung eingesetzt. Moderne Computer stoßen bei den letzten beiden Punkten jedoch schnell an ihre Grenzen, wenn zweidimensionale magnetische Systeme verwendet werden. Für die nächste Generation von Computern besteht daher ein wachsendes Interesse am Übergang zu dreidimensionalen Systemen, wo nicht nur höhere Dichten mit 3D-Nanodraht-Architekturen erreicht werden können, sondern dreidimensionale Geometrien auch die magnetischen Eigenschaften verändern und neue Funktionen bieten können.
Seit dem ersten Vorschlag des sogenannten Racetrack-Speichers von Stuart Parkin, Direktor am MPI für Mikrostrukturphysik in Halle, hat das Interesse an der Speicherung digitaler Daten in magnetischen Nanodrähten zugenommen, wodurch Informationsspeicher mit hoher Zuverlässigkeit, Leistung und Kapazität hergestellt werden können. Diese Idee war jedoch immer sehr schwierig zu verwirklichen, da wir nicht nur in der Lage sein müssen, dreidimensionale magnetische Systeme herzustellen, sondern auch die Auswirkungen der Dreidimensionalität sowohl auf die Magnetisierung als auch auf das Magnetfeld verstehen müssen.
In meiner Gruppe, Spin3D, ist es unser Ziel, das Geheimnis magnetischer Materialien in höherdimensionalen Systemen zu lüften. Wir erforschen das Verhalten von magnetischen 3D-Texturen im Nanomaßstab, sowohl in ausgedehnten Systemen, wo die Texturen komplexe Netzwerke bilden, als auch in begrenzten Geometrien, wo wir ihr Verhalten kontrollieren können.
Schwarze Löcher und Wirbelstürme
In einem Magneten ordnen sich die magnetischen Momente benachbarter Atome an, so dass wir ein kontinuierliches Magnetisierungsfeld definieren können, das eine Spielwiese für so genannte topologische Texturen darstellen kann. Wie die Kaffeetasse und der Donut, die reibungslos ineinander verformt werden können und somit topologisch äquivalent sind, können wir mit Hilfe der Topologie definieren, ob verschiedene magnetische Strukturen äquivalent sind oder nicht. Je nach Topologie solcher Strukturen können sie eine topologische Stabilität aufweisen, die das spontane Verschwinden oder die Umwandlung von Objekten verhindert. Auf diese Weise könnte die Stabilität von Texturen - die Daten darstellen könnten - verbessert werden, ein wichtiges Kriterium für zukünftige Technologien!
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, in das Innere eines Magneten schauen zu können, um diese Texturen zu beobachten! In den letzten Jahren haben wir mit der magnetischen Synchrotron-Röntgentomographie [1] eine neue Technik entwickelt, die uns genau diesen Einblick ermöglicht. Auf diese Weise konnten wir Singularitäten der Magnetisierung (das magnetische Äquivalent zu Schwarzen Löchern) sowie 3D-Wirbel (Tornados) und Wirbelringe (Blasenringe)[2] beobachten!
Bislang konnten wir diese als statische Konfigurationen beobachten. Die große Frage ist jedoch, wie sie sich dynamisch verhalten und ob es möglich ist, sie für zukünftige Computergeräte zu nutzen!
3D-Druck von Nanomagneten
Neben den intrinsischen Eigenschaften, welche die Arten von Texturen bestimmen, die wir in der Magnetisierung sehen, gibt es eine weitere Möglichkeit, das magnetische Verhalten zu steuern, und zwar die Verkleinerung auf die Nanoskala – unsere Magnete sind dabei 1000-mal kleiner als die Dicke eines menschlichen Haares. Insbesondere die Strukturierung von Magneten in dreidimensionale Nanogeometrien eröffnet die Möglichkeit, die magnetischen Eigenschaften zu verändern, sowie Chiralität und ultraschnelle (km/s) Informationsübertragung einzuführen.
Um magnetische 3D-Nanostrukturen herzustellen, müssen wir wiederum neue Methoden entwickeln: In unserer Gruppe arbeiten wir zusammen mit Kollegen intensiv an der Entwicklung von Nanofabrikationstechniken [3], die die experimentelle Untersuchung dieser Systeme ermöglichen.
Eine besonders aufregende Entwicklung war die Realisierung von 3D-Doppelhelix-Nanostrukturen [4], also DNA-ähnliche Nanomagnete, die sich umeinander drehen und Chiralität, Dreidimensionalität und starke Magnetfeldwechselwirkungen zwischen den Helices kombinieren. Durch die Anwendung der magnetischen 3D-Bildgebung auf diese Strukturen entdeckten wir, dass Paare von Wänden zwischen magnetischen Domänen (Regionen, in denen die Magnetisierung alle in die gleiche Richtung zeigt) in benachbarten Helices stark gekoppelt sind - und sich dadurch verformen. Diese Wände ziehen sich gegenseitig an und drehen sich aufgrund der 3D-Struktur, so dass sie ineinander "einrasten" und starke, regelmäßige Bindungen bilden, ähnlich wie die Basenpaare in der DNA.
Wir haben nicht nur festgestellt, dass die 3D-Struktur zu interessanten Nanotexturen in der Magnetisierung führt, wo solche Texturen relativ häufig zu sehen sind, sondern auch im magnetischen Streufeld, das spannende neue Feldkonfigurationen im Nanomaßstab offenbart!
Die Aussichten dieser Arbeit sind vielfältig: Diese stark gebundenen Texturen in den magnetischen Helices versprechen eine sehr robuste Bewegung und könnten ein potenzieller Träger von Informationen sein. Noch spannender ist jedoch das neue Potenzial, das Magnetfeld auf der Nanoskala zu strukturieren. Dies könnte neue Möglichkeiten für das Einfangen von Teilchen, für bildgebende Verfahren sowie für die nächste Generation intelligenter Materialien bieten.