Pressemeldung: Schwere Fermionen bilden Cooper-Paare mit Hilfe von Kernspins

Wechselspiel von ungewöhnlichem metallischen Verhalten, elektronischem Magnetismus, nuklearen Spins und unkonventioneller Supraleitung

29. Januar 2016

Physiker des Walther-Meißner-Instituts der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Garching), des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe (Dresden), der Rice University (Houston, USA) und der Renmin University (Peking, China) haben unkonventionelle Supraleitung bei ultra-tiefen Temperaturen in einem Schwere-Fermionen-Metall aus Ytterbium, Rhodium und Silizium entdeckt.

Das Material, YbRh2Si2 (YRS), ist der Prototyp eines Schwere-Fermionen-Metalls. Dabei handelt es sich um eine intermetallische Verbindung der Seltenen Erden, deren Ladungsträger effektive Massen besitzen, welche ungefähr tausendmal größer sind als die der freien Elektronen. Die Ursache hierfür liefert der sogenannte Kondo-Effekt, der bei tiefen Temperaturen zur Abschirmung der lokalisierten magnetischen Ytterbium-Momente durch die Leitungsband-Elektronen und damit zur Bildung sehr schwer beweglicher Ladungsträger führt.

In der Dresdener Arbeitsgruppe wurde YRS in den letzten fünfzehn Jahren bereits intensiv untersucht. Dabei ergab sich, dass der Kondo-Effekt an der Schwelle zu schwacher antiferromagnetischer Ordnung vollkommen zusammenbricht. Dies ähnelt dem sogenannten Mott-Übergang, bei dem die Elektronen auf Grund ihrer starken Korrelationen entweder in einem antiferromagnetischen Isolator lokalisiert oder in einem schwach leitfähigen Metall itinerant (wandernd) vorliegen. Mott-Übergänge treten z.B. in den perowskitischen Oxykuprat-Supraleitern mit hohen Übergangstemperaturen und in verschiedenen supraleitenden organischen Ladungs-Transfer-Salzen auf. Im Gegensatz zu den anderen oben aufgeführten Materialklassen besitzen Schwere-Fermionen-Metalle deutlich voneinander getrennte Energieskalen der relevanten elektronischen, magnetischen und elastischen Anregungen. Dies ermöglicht eine sehr genaue Erforschung von Quantenfluktuationen und Supraleitung nahe der Kondo-Instabilität und verspricht neue Einsichten in den Ursprung der Hoch-Tc-Supraleitung in den Kupratverbindungen, eines der drängenden ungelösten Probleme in der Physik der kondensierten Materie.

Unter Benutzung eines Kernentmagnetisierungs-Kryostaten im Walther-Meißner-Institut, einer speziellen Maschine zur Kühlung von Proben bis zu einer Basistemperatur von 400 millionstel Kelvin, welche nur an wenigen Stellen weltweit existiert, und unter Anwendung dezidierter Messmethoden konnten die Autoren Supraleitung in YRS finden. Sie tritt bei einer Übergangstemperatur Tc = 2 milliKelvin auf, siehe Science 351, vom 29 Januar 2016.

Die Autoren erkannten bei Messungen der spezifischen Wärme, dass die effektive Masse der Ladungsträger in YRS überraschenderweise um einen weiteren Faktor 1000 anzusteigen scheint, wenn das Material zu Temperaturen unterhalb Tc abgekühlt wird. Dies lässt sich nur unter der Annahme verstehen, dass bei ultra-tiefen Temperaturen nukleare Wechselwirkungen am Werk sind. Die Theoretiker (von Rice und Renmin U.) fanden bei der Analyse der Messergebnisse heraus, dass ein spezielles Arrangement der Kernspins des Ytterbiums die Voraussetzung für die Supraleitung ist. Nach ihrer Theorie koppeln die Kernspins bei extrem tiefen Temperaturen untereinander und ordnen sich in einer Art und Weise an, welche mit der elektronischen magnetischen Ordnung konkurriert und sie damit entscheidend schwächt bzw. vollkommen unterdrückt. Auf diese Weise kommen die elektronischen quantenkritischen Fluktuationen (an der Schwelle zum Magnetismus) zum Tragen. Sie gelten als treibende Kraft für die unkonventionelle Supraleitung in YRS und ersetzen die Schwingungen des Kristallgitters in einem konventionellen (BCS-) Supraleiter.

Die neue Publikation zeigt, dass das Entstehen von unkonventioneller Supraleitung in der Nähe antiferromagnetischer Instabilitäten – vorher bereits in Abwesenheit, jetzt auch in Gegenwart elektronischer Instabilität beobachtet - ein allgemeines Phänomen ist. Es ist nicht beschränkt auf die Kupratverbindungen, die organischen und (wahrscheinlich) die neuen Supraleiter auf Eisen-Basis, sondern existiert auch in Schwere-Fermionen-Metallen, den Modellsubstanzen für Quantenmaterie mit extrem starken elektronischen Korrelationen.

Die Arbeit wurde unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Robert A. Welch Foundation und der National Science Foundation.

 

FS / CPfS

 

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