Leitungselektronen treiben riesige, nichtlineare elastische Reaktion in Sr2RuO4
Die Härte eines Materials wird normalerweise durch die Stärke der chemischen Bindungen zwischen den Elektronen benachbarter Atome bestimmt und nicht durch frei bewegliche fließende Leitungselektronen. Nun hat ein Team von Wissenschaftlern am MPI-CPfS, aus Deutschland, Japan, Korea und den Vereinigten Staaten gezeigt, dass Leitungselektronen das Gitter in der Verbindung Sr2RuO4 viel weicher machen können als üblich.
Die Härte von Materialien wird durch die Stärke der chemischen Bindungen bestimmt, die zwischen den Elektronen der benachbarten Atome gebildet werden. Zum Beispiel sind die Bindungen in Diamant sehr stark, weshalb er zu den härtesten bekannten Materialien gehört. Diese Bindungen beruhen auf den Gesetzen der Quantenmechanik, und die komplexen Verbindungen, die heute in der Spitzenforschung von größtem Interesse sind, werden als "Quantenmaterialien" bezeichnet. Viele Quantenmaterialien sind geschichtet: Es wechseln sich also Schichten mit stark gebundenen Atomen mit solchen ab, in denen eine Teilmenge der Elektronen im Material einen Stromfluss erzeugt. Ein intuitives Bild ist, dass die stark gebundenen Schichten die Härte bestimmen und den stromführenden Elektronen einen starren atomaren Hintergrund bieten, ein so genanntes Gitter, in dem sie fließen können.
Die beweglichen Elektronen und das Gitter wissen voneinander, und wenn sich das Gitter aus irgendeinem Grund verändert, hat dies Auswirkungen auf die Strommuster. Wenn die fließenden Elektronen stark miteinander wechselwirken, können sie die Strommuster spontan ändern, aber wenn das passiert, sind die Auswirkungen auf das Gitter normalerweise sehr schwach. Da die Gitterbindung in der Regel sehr stark ist, wird oft angenommen, dass das Gitter die stromführenden Elektronen dominiert, und selbst eine sehr schwache Veränderung des Gitters wird oft als Ursache für die Veränderung des Strommusters angesehen.
In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit [1] hat ein Team unseres Instituts einen eindeutigen Beweis für einen Fall erbracht, in dem ein winziger Teil der stromführenden Elektronen alle anderen dominiert und das Gitter viel weicher machen kann. Nachdem das Experiment intern durchgeführt wurde, haben wir mit Kollegen aus Deutschland, Japan, Korea und den Vereinigten Staaten zusammengearbeitet, um das überraschende Ergebnis zu verstehen. Ein explizites Modell, das von den Gruppen von Jörg Schmalian und Markus Garst am Karlsruher Institut für Technologie konstruiert wurde, war entscheidend für die Enträtselung der Detektivgeschichte, ebenso wie Ergebnisse aus ergänzenden Experimenten, die 2022 veröffentlicht wurden [2]. Die Arbeit bietet eine neue Perspektive auf ein jahrzehntealtes Problem und wird, so hoffen wir, einen Einfluss auf die künftige Forschung haben.
[1] H. M. L. Noad, K. Ishida, Y.-S. Li, E. Gati, V. Stangier, N. Kikugawa, D. A. Sokolov, M. Nicklas, B. Kim, I. I. Mazin, M. Garst, J. Schmalian, A. P. Mackenzie & C. W. Hicks, Giant lattice softening at a Lifshitz transition in Sr2RuO4, Science 382, 447-450 (2023). DOI: https://doi.org/10.1126/science.adf3348
[2] Y.-S. Li, M. Garst, J. Schmalian, S. Ghosh, N. Kikugawa, D.A. Sokolov, C. W. Hicks, F. Jerzembeck, M. S. Ikeda, Z. Hu, B. Ramshaw, A. W. Rost, M. Nicklas & A. P. Mackenzie, Elastocaloric determination of the phase diagram of Sr2RuO4, Nature 607, 276-280 (2022). DOI: https://doi.org/ 10.1038/s41586-022-04820-z