Mit einem Antiferromagneten Strom aus Abwärme erzeugen

23. November 2021

Forschende am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) in Dresden haben zusammen mit Forschenden der Ohio State University und der University of Cincinnati einen überraschend großen thermoelektrischen Effekt in einem Antiferromagneten entdeckt. Die in Nature Materials publizierte Studie "Giant anomalous Nernst signal in the antiferromagnet YbMnBi2" zeigt, dass Antiferromagnete die gleiche Größenordnung des anomalen Nernst-Effekts haben können wie herkömmliche Ferromagnete, jedoch ohne die magnetischen Streufelder, die in Mikrostrukturen umgebende Bauelemente beeinträchtigen können. Das entdeckte neuartige Rezept für die Erzeugung großer Nernst-Spannungen zeigt, dass es wahrscheinlich keine grundsätzliche physikalische Grenze für hohe Effizienzen gibt. Dies eröffnet eine neue Forschungsrichtung für die Entwicklung hocheffizienter thermoelektrischer Geräte auf Basis topologischer Antiferromagnete. 

Um Elektronen in eine Bewegung senkrecht zum Wärmestrom zu zwingen, ist ein äußeres Magnetfeld erforderlich – dies wird als der Nernst-Effekt bezeichnet. In einem permanent magnetisierten Material (einem Ferromagneten) existiert ein anomaler Nernst-Effekt (ANE), mit dem aus Wärme Strom erzeugt werden kann. Diesen anomalen Nernst-Effekt beobachtet man normalerweise in allen Ferromagneten, er skaliert mit dem magnetischen Moment im Material.

In einem Antiferromagneten ist das Gesamtmoment Null, da zwei sich kompensierende Magnete im Material vorliegen. Ein solches Material sollte daher auch keinen ANE aufweisen.

Mittlerweile hat die Festkörperforschung gelernt, dass man das neue Konzept der Topologie anwenden kann, um große Nernst-Effekte zu erreichen. Es ist bekannt, dass die als Berry-Phase bekannten Größe mit dem ANE zusammenhängt und diesen stark erhöhen kann. Allerdings sind Antiferromagnete, die keine Nettomagnetisierung aufweisen, noch weitgehend unerforscht, auch weil man keinen ANE vermutete.

Überraschenderweise fand das Forschungsteam einen großen anomalen Nernst-Effekt in dem Antiferromagneten YbMnBi2. Dieser ANE ist größer als in nahezu allen Ferromagneten. Ursache ist hier die Topologie, die hohe Spin-Bahn-Kopplung und die komplexe, nicht vollständig kompensierte magnetische Struktur. Die verkantete Spinstruktur in YbMnBi2 bricht die Zeitumkehrsymmetrie und sorgt für eine Berry-Krümmung ungleich Null. Gleichzeitig trägt die große Spin-Bahn-Kopplung des schweren Elements Bismut dazu bei, einen großen extrinsischen Beitrag zu erzeugen.

Auf der Grundlage dieses Konzepts würde eine bestimmte Klasse von Antiferromagneten mit einer nicht-kollinearen Spinstruktur und mit großer Spin-Bahn-Kopplung einen großen anomalen Nernst-Effekt aufweisen. YbMnBi2 erfüllt diese Bedingung und weist tatsächlich eine große anomale Nernst-Spannung von 6 µV/K auf, einen Rekordwert bei Antiferromagneten, der genauso hoch ist wie die Werte, die für die besten Ferromagneten beobachtet wurden.

Für praktische Anwendungen könnte man einen einfachen Energiekonverter entwickeln: ein transversales thermoelektrisches Gerät, bei dem die Spannung senkrecht zum Wärmefluss erzeugt wird. Im Gegensatz zu kommerziell verfügbaren thermoelektrischen Generatoren, die auf dem Seebeck-Effekt basieren und aus kleinen Blöcken von n- und p-Halbleitermaterialien aufgebaut sind (Abbildung a), wäre ein solches Gerät viel einfacher aufgebaut. Es besteht nur aus einem einzigen Block (Abbildung b).

Im Gegensatz zu Ferromagneten, die oft unter einer geringen Ladungsträgermobilität leiden, können Antiferromagnete auch höhere Mobilitäten aufweisen und zeigen daher eine bessere elektrische Leitfähigkeit. Zusammen mit einer niedrigen Wärmeleitfähigkeit wird in YbMnBi2 eine anomale thermoelektrische Gütezahl (zT) erreicht, die um eine Größenordnung höher ist als die aller bekannten Ferromagneten.

"Obwohl der anomale Nernst-Effekt überraschend groß und der zT-Wert viel höher als bei Ferromagneten ist, muss die thermoelektrische Gesamtleistung für praktische Anwendungen noch verbessert werden", sagt Yu Pan, Gruppenleiterin in der Abteilung Festkörperchemie am MPI CPfS in Dresden. "Dennoch zeigt diese Studie das große Potenzial von Antiferromagneten für thermoelektrische Anwendungen, da sie eine viel bessere Leistung als Ferromagnete aufweisen. Wir glauben, dass unsere Arbeit einen Anfang für die Entdeckung weiterer interessanter thermoelektrischer Materialien in der Zukunft darstellt."

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