In-situ Beobachtung von Strukturänderungen während des Metall-Halbleiter-Übergangs in Bleitellurid  
 

23. September 2021

Bleitellurid ist ein wichtiges thermoelektrisches Material, aber sein Metall zu Halbleiter Übergang bei ca. 230 °C ist bis heute nicht vollständig verstanden. Nun liefert atomar aufgelöste Transmissionselektronenmikroskopie strukturelle Einblicke in diesen Phasenübergang und erklärt das metallische Verhalten durch lokale strukturelle Änderungen, welche zur Ausbildung eines Versetzungsnetzwerks innerhalb seiner Kochsalzstruktur führen.

Das Interesse an Bleichalkogeniden als thermoelektrisches Material geht auf Thomas Seebeck zurück. Bereits in seinem Bericht aus dem Jahre 1822 über die Entdeckung der Thermoelektrizität beschrieb er Bleiglanz, eine natürliche Form des Bleisulfids, als ein Material, welches elektrischen Strom liefert, wenn es einem Temperaturgefälle ausgesetzt wird. Die NASA führte in den 1970 und 1980er Jahren erfolgreich Raumfahrtprogramme unter Verwendung von Radioisotop betriebenen thermoelektrischen Generatoren durch, welche auf Bleitellurid-Materialien basierten. Als potentielle Anwendungen werden thermoelektrische Generatoren in Kraftwerken diskutiert, um Abwärme in Elektrizität umzusetzen oder in Fahrzeugen, um den Treibstoffwirkungsgrad zu erhöhen. Außerdem fand es bereits Zugang in das alltägliche Leben in Form von Smartwatches, welche durch Körperwärme betrieben werden.

Die elektronischen Eigenschaften von Bleitellurid sind immer noch von hohem wissenschaftlichen und praktischen Interesse und im Hinblick auf die Zyklenstabilität des Materials von besonderer Wichtigkeit bedingt durch den noch nicht geklärten Metall-Halbleiter Übergang bei Temperaturen um die 230 °C. Als ein Grund für dieses Verhalten wurde die Anwesenheit von Überschuss-Atomen nach der Einkristall-Synthese und der Verdampfung von Tellur diskutiert. Daneben wurden die Bildung und das Ausheilen von Defekten in Betracht gezogen, welche durch mechanisches Vermahlen und Sintern der Probe entstehen können. Als weitere möglichen Gründe für metallisches Verhalten wurde die Anregung von Elektronen-Loch Paaren durch Defektbildung bei erhöhten Temperaturen und temperaturabhängige Bandübergange aufgeführt. Alle diese Ansätze setzen voraus, dass die Bleitellurid-Kristallstruktur (Kochsalztyp) im Wesentlichen unverändert bleibt.

Um die strukturellen Ursachen für diesen speziellen elektronischen Übergang aufzuklären, wurden temperaturabhängige, atomar aufgelöste, in-situ transmissionselektronen-mikroskopische Untersuchungen an einkristallinem Bleitellurid durchgeführt. Unterhalb der Übergangstemperatur von ca. 230 °C wurde die Bildung eines Versetzungsnetzwerkes beobachtet, welches durch Verschiebung von NaCl-ähnlichen Atomreihen senkrecht zur {100} Richtung beobachtet wurden.  Diese lokalen Strukturänderungen führen zum Auftreten von elektronischen in-gap Zuständen (die Bandlücke wird dadurch geschlossen) und bedingen ein metallisches elektronisches Transportverhalten. Das Versetzungsnetzwerk verschwindet mit steigender Temperatur und ergibt eine Halbleiterleitfähigkeit. Beim Abkühlen erscheint das Netzwerk wieder und damit auch die metallische Leitfähigkeit.

Die Verschiebungen der atomaren Schichten senkrecht zur {100} Richtung unterhalb der Übergangstemperatur von ca.  230°C werden durch stereochemisch aktive, freie Elektronenpaare am Bleiatom verursacht. Dies zieht auch Änderungen der elektronischen Struktur nach sich. Die Lücke in der Bandstruktur des idealen Kochsalztyp Bleitellurid-Kristallgitters schließt sich und das Material verhält sich wie ein Metall in elektrischen Transportmessungen. Temperaturerhöhung oberhalb des charakteristischen Werts von ca. 230°C führt zu Unordnung der freien Elektronenpaare und die Kristallstruktur geht in das ideale Kochsalz-Gitter über und wird halbleitend.

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